Mutter cremt Gesicht eines Säuglings mit Neurodermitis ein

Neurodermitis bei Säuglingen

Neurodermitis bei Säuglingen

Dr. Pleimes schaut lächelnd in die Kamera

Dieser Beitrag wurde von Dr. Pleimes, Facharzt für Kinderheilkunde, Dermatologie und Allergologie, verfasst.
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Grundlagen, Ursachen & betroffene Körperstellen

Was bedeutet Neurodermitis / atopische Dermatitis / atopisches Ekzem?

  • Neurodermitis ist medizinisch gleichbedeutend mit den Begriffen atopische Dermatitis, atopisches Ekzem oder endogenes Ekzem.
  • Dermatitis/…dermitis ist eine Entzündung an der Haut.
  • Atopie bedeutet die vermehrte Neigung des Immunsystems, sich mit ansonsten harmlosen Umweltstoffen (Allergenen) zu beschäftigen und hierauf ohne Grund zu reagieren.
  • Neuro… (von griechisch neuron = Nerv) ist eigentlich eine veraltete und auch nicht mehr korrekte Bezeichnung, die aber im täglichen Sprachgebrauch verankert bleibt. Früher dachte man, dass der Neurodermitis eine Nervenerkrankung zugrunde liegt, was heute widerlegt ist.

Die Entzündung (Dermatitis) an der Haut äußert sich als sogenanntes Ekzem:
Ekzem beschreibt: gerötete Haut mit Schuppung und rauer Hautoberfläche sowie begleitend meist Juckreiz. Ekzeme treten gerade in den ersten Lebensjahren häufig auf. Ursache ist eine noch nicht ausgereifte Schutzfunktion der Haut. Bei vielen besteht zusätzlich familiär veranlagt eine vermehrt empfindliche Haut und/oder ein leichter irritierbares Immunsystem. Dies ist keine Erkrankung an sich, führt aber dazu, dass Umwelt und Umgebungsfaktoren (Schweiß, Speichel, Bakterien, Nahrungsmittel, Seifen, Reibung etc.) uns leichter irritieren. Es führt auch dazu, dass Feuchtigkeit schneller aus der Haut verloren geht und eine trockene noch empfindlichere Haut entsteht. Wer mit dieser angeborenen Empfindlichkeit wiederholt Ekzeme, also Hautentzündungen bekommt, hat dann eine Neurodermitis oder auch atopische Dermatitis.

Erfreuliche Nachricht: wird die Haut mit zunehmendem Alter stabiler kann sich das Problem auch „verwachsen“. Die anlagebedingte Empfindlichkeit bleibt aber zeitlebens bestehen.

Bei Säuglingen äußern sich Hautsymptome eines atopischen Ekzems meist erst ab dem 3. Lebensmonat. Davor können aber schon andere Entzündungen an der Haut stattfinden, bei denen es sich um von der Neurodermitis unabhängige Hauterkrankungen handelt:

In den ersten 2 Lebensmonaten findet sich oft noch eine verstärkte Talgproduktion und hier sind Baby-Akne oder oft mehr im Windelbereich oder den Hautfalten lokalisiert das seborrhoische Ekzem häufiger. Diese beiden Erkrankungen der Haut sind, auch wenn sie bei einzelnen Kindern sehr ausgeprägt sein können, harmlos und verschwinden in der Regel innerhalb kurzer Zeit von selber. Oft sehen wir im ersten Lebenshalbjahr Übergänge oder Mischbilder aus z.B. seborrhoischem Ekzem und atopischem Ekzem, was vor allem für die richtige Behandlung der Haut wichtig ist. Während die anfänglichen Hautprobleme wie Baby-Akne oder seborrhoische Dermatitis wenig Fett in der Pflege haben sollten, profitiert später die empfindliche Haut bei der atopischen Dermatitis / Neurodermitis meist von reichhaltigeren Produkten.

 

Was ist die Ursache der atopischen Dermatitis / Neurodermitis?

Unsere Oberhaut ist nach Geburt noch nicht vollständig ausgereift, sondern zeigt noch eine vermehrte Durchlässigkeit. Sie wird vor allem in den ersten 2-3 Lebensjahren noch deutlich stabiler. Besonders in den ersten Lebensmonaten, aber auch noch danach, kommt es daher zu vermehrten Kontakten des (in den tieferen Schichten der Haut aktiven) Immunsystems mit irritierenden Stoffen in der Umwelt (Bakterien, Staub, Milben, Pollen, Speichel, Schweiss, Nahrungsmittel etc.). Durch die wiederkehrende Irritation kann dann eine Entzündung (eine Verdickung, Rötung, Schuppung der Haut, also ein Ekzem) entstehen. Die dabei ausgeschütteten Botenstoffe sind nicht nur an der Veränderung der Oberhaut beteiligt, sondern reizen auch Juckreizfasern und hemmen bestimmte Abwehrfunktionen der Haut. Die Haut gerät aus dem Gleichgewicht.

Misst man die Hautstabilität an den betroffenen Ekzemstellen, ist diese leider dort nochmals schlechter als an vorher nur empfindlicher „gesunder / nicht betroffener“ Haut. Dies endet in einen Teufelskreis (empfindliche Haut – Irritation – Entzündung – empfindlichere Haut…), da gerade an bestehenden Ekzemstellen nun weitere Entzündung verstärkt wird.

 

Welche Hautbereiche sind besonders betroffen?

Im Säuglingsalter kommt es anfangs oft zu Wangenekzemen / einer Neurodermitis im Gesicht. Am Körper sind vor allem der Bauch und Brustbereich und an den Armen und Beinen meist noch mehr die Streckseiten betroffen. Auch am behaarten Kopf können Ekzeme bestehen. Der Windelbereich ist hingegen typischerweise ausgespart oder nur sehr wenig betroffen.

Baby mit Säuglingsneurodermitis auf den Wangen

Bei Neigung zu empfindlicher und trockener Haut, insbesondere wenn die Eltern eines Kindes Heuschnupfen, Allergien, Asthma oder auch ein Ekzem haben oder hatten, ist eine frühzeitige Hautbasistherapie wichtig.

Diese beinhaltet 2 Maßnahmen:

  1. Das vorsichtige Entfernen von Triggerfaktoren (irritierenden Faktoren) durch eine regelmäßige, aber sehr schonende Hautreinigung (Syndets / Badeöle)
  2. Eine nach dem Bad oder dem Duschen erfolgende Hautschutztherapie. Hierfür werden Cremes (also Gemische aus Wasser und Fett) auf die Haut des gesamten Körpers verteilt.

Grundregel: je trockener und wenig akut gerötet die Haut, um so mehr Fett. Aber nie reines Fett oder Öl ohne Wasseranteil als Pflege, dies würde die trockene Haut nicht verbessern.

Bei nässenden hoch-roten, akuten Stellen wird kurzzeitig wenig oder kein Fett verwendet. Hier können z.B. wenige Tage Schwarztee-Umschläge hilfreich sein.

Heilen leichtere Stellen unter einer Basistherapie ab, ist alles bestens. Oft ist die Haut aber so stark durch die bestehende Entzündung geschädigt, dass wir die Hautbarriere nur mit Schutz nicht wieder ins Gleichgewicht bekommen. Hinzukommt, dass bei Juckreiz durch Kratzen und Scheuern immer wieder weitere Schäden an der Haut entstehen können. Unser stärkster Gegenspieler ist dabei die bestehende Entzündung. Wenn wir es schaffen, diese vollständig zu stoppen, kann sich die Haut wieder in ihren aktuell möglichen Bestzustand aufbauen. Dieser Zustand ist dann leichter stabil zu halten.

 

Antientzündliche Therapie bei Neurodermitis

light bulb Wichtig: Was soll die Therapie erreichen?

Ziel ist immer früh das vollständig ekzemfreie Kind. Dieser Zustand soll möglichst andauernd erhalten werden.

Es gibt 2 Stoffgruppen mit guter Wirksamkeit gegen Entzündungen

  • Zum einen die Gruppe der Kortisonpräparate
  • Zum anderen die Calcineurin-Hemmer

Beide haben ihre Vor- und Nachteile und sind richtig angewendet (leider im Gegensatz zur allgemeinen Wahrnehmung) extrem sichere und nebenwirkungsarme Präparate. Das gilt selbst bei Anwendung bei Säuglingen.

Um Nebenwirkungen zu vermeiden, brauchst Du aber die Information: Wie lange, auf welche Fläche, welches Präparat angewendet werden soll. Zu einer guten Neurodermitis-Therapie gehört damit immer ein individueller Behandlungsplan, der angibt: wann, was, wie auf die Haut aufgetragen werden sollte.

Gesicht, Windelareal und die Erhaltungstherapie sind oft Einsatzbereich der Calcineurin-Hemmer. Am restlichen Körper können moderne Kortisonpräparate mit einem sehr guten Sicherheitsprofil eingesetzt werden.

 

Sollte ich nicht warten bis mein Kind etwas älter ist? Dann wird das Präparat vielleicht besser vertragen?

Je früher eine Behandlung durchgeführt wird, um so kürzer muss meist behandelt werden. Um so niedriger ist das Risiko, dass Entzündungen chronisch werden.

Erfreulich: Kortison-Cremes und zugelassene Alternativen sind auch bei sehr kleinen Säuglingen gut einzusetzen. Die richtige Präparatwahl sollte aber durch eine Fachärztin oder Facharzt mit Erfahrung erfolgen.

 

Kommen die Ekzeme nicht sofort wieder, wenn ich aufhöre zu behandeln?

Gerade in den ersten Lebensjahren besteht aufgrund der noch sehr empfindlichen Hautbarriere ein erhöhtes Risiko für Ekzeme. Manchmal reicht dann nur EIN zusätzlicher Faktor aus, um wieder einen neuen Schub auszulösen. Und, JA, dieser sollte dann wieder behandelt werden. Mit dem Älterwerden Deines Kindes wird eine nicht entzündete Haut immer stabiler und die Wahrscheinlichkeit neuer Entzündungsschübe sinkt.

 

Was sind die Nebenwirkungen einer Kortisontherapie?

Bei den Kortisonen ist wichtig, dass zwischen Behandlungen einer bestimmten Hautstelle immer auch Pausen liegen. In der Anfangsphase kann mit dem richtigen Präparat aber durchaus einige Wochen etwas intensiver und dann mit einer Erhaltungstherapie noch ein wenig weiter behandelt werden, ohne dass Probleme zu erwarten sind. Das Risiko für Nebenwirkungen besteht, wenn immer ein und dieselbe Stelle behandelt werden muss und keine Pausen in die Therapie eingebaut werden können. Sind immer wieder andere Bereiche der Haut betroffen, die behandelt werden, ist auch eine regelmäßige Anwendung unproblematisch.

 

Wie kann ich verhindern, dass immer wieder neue Ekzeme entstehen? Muss ich dann regelmäßig immer wieder Therapie-Cremes anwenden?

Je stärker und länger ein Ekzem bestanden hat, um so länger braucht auch die Haut, um wieder in ihr natürliches, stabiles Gleichgewicht zu gelangen. Nachdem ein Ekzem abgeheilt ist, stoppen wir die Weiterbehandlung nicht komplett, sondern führen noch eine pro-aktive (vorbeugende) Erhaltungstherapie durch. Ziel ist hier eine komplett ekzemfreie Haut zu erhalten, d.h. wir wenden die Therapie-Cremes auf jetzt für Dich gesund aussehender Haut an. Diese Therapie erfolgt aber nicht mehr täglich, sondern nur noch z.B. 2 Tage pro Woche.

 

Fett-Feuchte-Verbände

Für die etwas größeren Kinder bieten sich meist z.B. bei hartnäckigen Ekzemen an den Armen oder Beinen intensivierte Basistherapie-Maßnahmen an. Hierfür können Pflege, oder auch mal Therapiecremes (nur auf ärztliche Anweisung), unter einem Verband angelegt werden. Ein feuchter Verband über einer sehr fetten Pflegecreme (darüber nochmals ein trockener Verband) verstärken die Tiefenwirksamkeit der Pflegeprodukte.

 

Neurodermitis-Schlafanzüge

Bei generalisierten Ekzemen können zusätzliche Textilien hilfreich sein, die aufgrund ihrer glatten Oberfläche und Beschichtung helfen, Juckreiz und Kratzen sowie auch Bakterien auf der Haut zu reduzieren.

 

Wenn wir einfach nur immer wieder behandeln, wie erfahre ich denn die Ursache der Ekzeme / Neurodermitis / Hautentzündung?

Die Ursache ist bekannt: Die äußere Hautschutzschicht ist noch nicht so stabil, wie sie optimal sein könnte. Und manchmal reagiert auch das Immunsystem schneller auf Reize, als es notwendig wäre. Das führt dazu, dass uns verschiedene Faktoren (Triggerfaktoren s.u.) in der Umgebung irritieren. Und wenn das Entzündungssystem schon leicht aktiv ist, kann auch alles, was uns von „innen“ ärgert, die Situation verschlechtern (z.B. Infekte, Impfungen, Zahnen, Stress).

Triggerfaktoren: Faktoren, die Schübe auslösen können, nicht aber Ursache der Erkrankung sind

  • Klimafaktoren: Austrocknung der Haut, Wärme (verstärkter Juckreiz), Schwitzen
  • Irritantien: Seifen, Wollkleidung, Säuren in Nahrungsmitteln etc.
  • Bakterien: z.B. Staphylokokken, Streptokokken, Hefepilze
  • Viren: z.B. Herpesviren, Poxviren (Dellwarzen)
  • Allergien: Nahrungsmittel, Hausstaubmilben, Pollen etc.
  • Stress: Verstärkung von Juckreiz

Neurodermitis Triggerfaktoren bei Säuglingen Infografik

Allergien

Bei einer empfindlichen äußeren Schutzschicht des Körpers ist der Kontakt mit Umweltallergenen (Nahrungsmitteln oder Pollen / Hausstaub) erhöht. Zusammen mit einem leichter irritierbaren Immunsystem steigt damit auch das Risiko für eine zusätzliche Allergieentwicklung.

Allergie bedeutet, dass unsere Abwehr einen eigentlich ungefährlichen Stoff als gefährlich wahrnimmt und eine Abwehrbereitschaft dagegen speichert. Dies kann zu akuten allergischen Reaktionen wie Nesselsucht oder Enge der Atemwege führen, aber auch nur zu einer Verschlechterung der Ekzeme. Erfreulich bestehen Allergien, die direkt das Ekzem verschlechtern aber nur bei einem kleinen Teil der Kinder.

Wann muss ein Allergietest erfolgen?

Wir testen auf Allergien, wenn trotz aller o.g. Maßnahmen ein ständiger Ekzem Zustand (z.B. mehr als 4-8 Wochen) fortbesteht. Auch bei sehr ausgeprägten, schweren Ekzemen oder sicheren Hinweisen in der Krankengeschichte kann ein Test ggf. sinnvoll sein. Untersucht wird dann meist eine Blutprobe des Kindes.

 

Impfungen

Es gibt keine Erkenntnisse, die ein Auslassen von Impfungen bei Kindern mit atopischer Dermatitis rechtfertigen. Kinder mit schwerem atopischem Ekzem sollten sogar gerade frühzeitig gegen Erkrankungen wie z.B. Windpocken geimpft werden, da aufgrund der gestörten Hautbarriere ein erhöhtes Risiko für eine verstärkte Narbenbildung und bakterielle Haut- und Weichteilinfektionen besteht.

 

Was für weitere Maßnahmen kann ich ergreifen, damit eine Versorgung für mein Kind optimal abläuft?

Neurodermitis-Schulung: Regelmäßig werden von interdisziplinären Schulungsteams aus Ärzte*innen, Ernährungsberater*innen, Kinder-Psychologen/Psychotherapeuten*innen gemeinsame Schulungen für Eltern von betroffenen Kindern angeboten. Die Kosten hierzu werden von den Krankenkassen in aller Regel übernommen. Schulungsteams und weitere Informationen hierzu finden sich auf der Seite der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitis-Schulung AGNES e.V. www.neurodermitisschulung.de.

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